16.08.16

Update zur Killerspieldebatte (August 2016)

Amokläufe, Terror in Europa. Die Welt ist schlimm genug. Ich kann dazu nicht viel sagen, Föderl-S. hat es kompakt zusammengefasst.

All das bringt aber etwas anderes wieder:
Die Killerspielebatte.

Erfurt (2002), Emsdetten (2006), Winnenden (2009). Drei Amokläufe junger Menschen erschütterten im vergangenen Jahrzehnt die deutsche Öffentlichkeit.
Und jetzt vor kurzem wieder.


derstandard.at/2000041748348/Amoklauf-in-Muenchen-Die-Killerspiel-Debatte-kehrt-zurueck


Bis heute fehlt es an klaren Nachweisen, dass Spiele mit Gewaltinhalten direkt in Zusammenhang mit realer, physischer Gewalt stehen. Schon kurz nach der Bluttat in Erfurt hatte die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften "Counter-Strike" unter die Lupe genommen. Der Befund: Das Spiel besitze keinen "Gefährdungsgrad", der eine Indizierung – und damit ein Verbot des offenen Verkaufs – rechtfertige. Man solle den Titel aber nicht Unter-16-jährigen zugänglich machen, was ohnehin der bisherigen Einstufung entsprach. Seitdem sind auch zahlreiche Studien erschienen. Die Ergebnisse sind breit gefächert. Eine der wenigen Langzeitstudien stammt von der Universität Bielefeld. Sie basiert auf Befragungen, die seit über 15 Jahren durchgeführt werden, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Bislang konnte man keine "direkte Verstärkung der Gewaltdelinquenz" feststellen, wohl aber eine "Verstärkung von Einstellungen, die gewalttätiges Verhalten befürworten." Eine Meta-Studie, also eine Untersuchung, die andere Studien auswertet, erbrachte keine eindeutigen Ergebnisse.


Trotzdem hat der deutsche Innenminister Thomas de Maizière infolge der Ereignisse in München Videospielen eine Mitverantwortung unterstellt
Ein Argument dafür, warum eine Debatte durchaus angebracht ist, liefert ein Kommentar beim "Spiegel", inklusive Forderung nach einer sachlichen Debatte. Man müsse darüber nachdenken, die Spielergemeinden mit Mitgliedern umgehen, die offenkundig schwere Probleme haben. Der Münchner Attentäter soll laut Aussagen ehemaliger Mitspieler in "Counter-Strike" unter Pseudonymen wie "Amoklauf" und "Hass" unterwegs gewesen, den Amokläufer von Winnenden gelobt und Hassbotschaften gegen Türken verbreitet haben.


http://futurezone.at/meinung/bitte-kein ... 11.760.762
Darüber wurde bereits 2009 nahezu alles gesagt und geschrieben und geforscht, was man dazu sagen, schreiben und forschen kann. "Kein vernünftiger Wissenschaftler kann das mit einer solchen Sicherheit behaupten. Und wenn das kein Wissenschaftler kann, dann kann das auch kein Minister", sagte dazu etwa der Medieninformatiker Maic Masuch gegenüber der „Süddeutschen“.


Genauso wenig sollte verschwiegen werden, dass sich manche Amokläufer in der Vergangenheit tatsächlich mit Computerspielen auf ihre Taten vorbereitet haben, in dem sie etwa Gebäudepläne in Spiele kopiert haben, um sich für den „Ernstfall“ vorzubereiten. Hierzu bleibt aber zu sagen: Der Ego-Shooter war selbst dann niemals die Ursache für die Tat.

De Maiziere macht es sich daher äußerst einfach mit seinen Anschuldigungen. Derartige Aussagen sind nichts mehr als ein populistischer Schnellschuss, um etwas – wie den Computerspielen oder dem Internet (schließlich wurde auch die Tatwaffe im Darknet gekauft) - die Schuld für die grausame Tat zuzuschieben. Gegenüber dem ZDF forderte der Bundesminister nämlich auch gleich, "Anonymität im Netz" verbieten zu wollen.


http://futurezone.at/digital-life/die-i ... 11.800.693
"Der Konsum von Gewaltmedien führt erwartungsgemäß zu keiner direkten Verstärkung der Gewaltdelinquenz, allerdings zu einer Verstärkung von Einstellungen, die gewalttätiges Verhalten befürworten." Das stellt eine Langzeitstudie der Universität Bielefeld fest, die in Deutschland seit über 15 Jahren Jugendliche zum Thema Gewalt befragt.

Zu einer ganz ähnlichen Erkenntnis kam die Kriminologin Britta Bannenberg nachdem sie in Deutschland 75 Amokläufe untersucht hatte. Auf die Frage, ob Gewaltspiele eine Ursache für die gesellschaftliche Verrohung seien, sagte sie erst kürzlich in einem Interview mit der Neue Zürcher Zeitung: "Ego-Shooter sind nicht die Ursache. Die Idee für einen Amoklauf kommt nicht beim Spielen. Es ist umgekehrt.“

Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik, der auch dem Schützen von München als Vorbild diente, habe etwa derartige Spiele dazu genutzt, um sich daran zu gewöhnen, wenn Blut fließt und Körper zerfetzt werden. Die Amokläufer würden versuchen sich mithilfe von sogenannten Killerspielen zu stählen und vorzubereiten, sagt Bannenberg.


"Es kommt ja nicht von ungefähr, dass beim Militär derartige Video-Spiele zu Trainingszwecken eingesetzt werden" sagt auch Brigitte Rollett, emeritierte Professorin der Universität Wien, deren Arbeitsbereich Entwicklungspsychologie ist gegenüber der futurezone. "Fakt ist: Jedes Kinderspielzeug und jedes Computerspiel, das mit Kampf und Gewalt zu tun hat, senkt natürlich die Schwelle, in diese Richtung etwas zu unternehmen."

Dennoch: "Es sind bei weitem nicht alle Spieler gefährdet. Entscheidend ist, dass Eltern ihre Kinder nicht sich selbst überlassen." Eltern sollten sich für die virtuelle Welt ihrer Kinder interessieren, damit sie angemessen darauf reagieren und gemeinsam kritisch reflektieren können.


Wenn schon über Mediengewalt als möglicher Auslöser für derartige Gewalttaten diskutiert wird, könne man auch eine fast schon provokante und medial kaum wahrgenommene These erwähnen, sagt Medienwissenschafter Ramón Reichert im Gespräch mit der futurezone. Demnach könne man auch behaupten, sogenannte Killerspiele könnten eine Art Boxsack darstellen, der dazu dient, bereits vorhandene Gewaltfantasien zu kanalisieren.

Nicht außer Acht lassen dürfe man in diesem Zusammenhang auch andere mediale Phänomene, so Reichert; etwa die aktive Beteiligung der Massenmedien. "Hinter der sensationsheischenden Verbreitung von Inhalten, unter anderen auch gewaltvollen Inhalten, stehen auch klare kommerzielle Interessen."

Man müsse sich die Frage stellen, ob und in welcher Weise die Berichterstattung zur Heroisierung der Täter beiträgt. "Um einer Selbstradikalisierung etwas entgegen zu halten, könnte es eventuell hilfreich sein, den Attentätern und Amokläufern keine derartige Plattform zu bieten", regt Reichert an. Denn Aufmerksamkeit auf sich zu lenken sei vielfach deren letzter Wunsch. Vielleicht solle man versuchen, im medialen Spiel um Aufmerksamkeit den Tätern nicht auch noch entgegenzukommen, indem man sie ins Rampenlicht stellt", sagt Reichert.



Zumindest das internetaffine Publikum stimmt Maizere nicht zu, aber das hat er wohl auch nicht erwartet:
Buntstift im Standardforum wrote:Diskutiert über Mobbing, Psychische Betreuung, den Zugang zu Waffen, misslungene oder bewusst vermiedene Integration, aber diskutiert nicht über Killerspiele. Da wird bewusst Verantwortung an etwas virtuelles, schwer kontrollierbares abgeschoben um sich den wahren Problemen zu entziehen.


Jan Böhmermann auf Twitter wrote:Wie kommt ein 18jähriger in Deutschland an eine Pistole und 300 Schuss Munition? Hat er bestimmt in einem Killerspiel gekauft


Makro 24/7 im Standardforum wrote:Solche Debatten werden aber nur von Leuten gestartet, ...... die auch noch glauben, mit der Ansiedlung von Störchen könnte man die Geburtenrate der Bevölkerung anheben.


in Kooperation mit kortz.at

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